Süddeutsche Zeitung

Porträt

Lothar Schuster - Designer von Männerdessous

Es klingelt. Der elegant, betont lässig gekleidete Mann hält inne und greift zum Hörer der Türsprechanalage. „Was wollen sie bitte! Was? Ah ja! Was Kleines also, für den Flaucher, nichts Schwarzes, Avantgardemäßiges. Nein, das geht jetzt nicht. Sie haben keinen Termin mit mir ausgemacht.“
Lothar Schuster seufzt und legt den Hörer auf die Gabel: „Seit ich nicht mehr nur im Auftrag von Firmen arbeite, sondern die Ware selbst anbiete, laufen die mir die Bude ein.“
Im zweiten Stock ein Atelier zum Vorzeigen. Alles hat seinen Platz. In der Mitte die Nähmaschine. Rechts der Tisch zum Zuschneiden. Links das „Muster“-Kammerl. An den Wänden: Regale, übervoll mit bester und ausgefallenster Ware: Stoffe aus Mailand und Paris, auserwählt, künftig den Ton anzugeben. Unmittelbar vor uns: die Star-Slips von morgen. Mit ihrem Glanz und Glitzer in allen erdenklichen Farben, Mustern und Schattierungen verführen sie zum Berühren. Modefetischisten dürfte bei diesem Anblick das Herz höher schlagen. Denn: Das ist echte Qualität, das ist Haute Couture. Männerdessous aus edlem Material, vom Seidenshort bis zum Baumwoll- Stretch-Tanga. Dauerbrenner nicht nur für den „Prommy im Fernsehen, der jeden Preis zahlt“, sondern ebenso für den underdressed Otto Normalverbraucher, „den Angestellten, der sich schnell mal nach Dienstschluß was kleines Erotisches leistet“, meint der Verpackungskünstler männlicher Reize, Lothar Schuster
Ob was „kleines Verhüllendes“ oder was „großes Bedeckendes“, wichtig ist Schuster die Note. Sie muß zum persönlichen Outfit passen. Hier darf also der Kunde noch König sein? „Ja! Ich überlege mir, was jedem individuell steht“, bestätigt der Aufsteiger in der Münchner Modebranche – sein Slogan: Selbst der unförmigste Körper kann zum ästhetischen Ereignis, zum aufregenden Etwas werden. Reine l´art pour l´art? Nein, praktisch soll´s auch sein, „zum Wohlfühlen“. 130 Mark muß der Kunde für ein Badehöschen“ auf den Tisch legen. „Nicht teurer als jeder gute Markenartikel in jedem Kaufhaus“, findet der Spezialist in Sachen Männerdessous. Allerdings: je ausgefallener die Stücke, desto höher der Preis. Dafür trägt sie nicht jeder. Und: Sie sind nach Schusters Stil geschneidert. Die Einmaligkeit muß man sich eben was kosten lassen. Deutschlands Wäschegrößen reißen sich um die Entwürfe des begabten Slip-Designers, der auch für Kunden in Hamburg und London arbeitet. Er sei sogar europaweit der einzige Hersteller von Männerunterwäsche nach Maß, sagt der Liebhaber des Extravaganten.
Seinen Erfolg erklärt sich Schuster hauptsächlich durch das steigende Modebewusstsein beim Mann: „Der Mann ist in den letzten Jahren – was an Zeitschriften wie Playirl deutlich wird – zum sexistischen Symbol avanciert.
Knackige Slips in allen nur erdenklichen Schlüsselreizfarben zu kreieren, die unwillkürlich das Interesse auf sich lenken („anmachen“) – nach dem Motto: „Was hast du für ein schickes Höschen an“ -, das war nicht von Anfang an der Traum des gebürtigen Österreichers. Beeinflußt von der Großmutter („Sie nähte noch echte Trachten“) wollte Schuster Abendkleider entwerfen, „etwas, wozu es derselben Akribie bedarf wie in der Trachtenschneiderei, jedoch ohne vorgegebene traditionelle Schnitte“. Allerdings musste er einsehen, dass man von Abend- und Auftrittskleidern, selbst als sie „der Gottschalk“ bezahlte, nicht leben kann. So kam er auf Dessous – Männerdessous.
Beigebracht hat sich der 30jährige die notwendige Fingerfertikeit für das Schneiderhandwerk vornehmlich im autodidaktischen Studium. „Nächtelang habe ich mir die Zeit an der Nähmaschine um die Ohren gehauen. Tagsüber musste ich zusätzlich jobben, um leben zu können.“ Der Vorteil davon, so der Dessous-Künstler: „Alle Entwürfe sind auf eigene Ideen zurückzuführen. Geklaut haben die anderen.“