Süddeutsche Zeitung

Auf die Spitze getrieben

Die Herren entdecken die Hemdhose für sich
Luxuriöse Dessous wohin das Auge blickt. Sie avancieren zum täglichen Kleidungsstück. Vorbei ist die Zeit vom Schlabberlook und Doppelripp. Statt dessen Seide, Satin, Spitzen, Stretch. Das Lieblingsunterwäschestück der modernen Frau ist der Einteiler – neudeutsch „Body“ genannt (von Bodysuit). Und derselbe hat sich jetzt noch emanzipiert vom figurfreundlichen reinen Unterzeug zum perfekt sitzenden Oberteil mit angeschnittenem Höschen. Nichts rutscht mehr aus dem Rock- oder Hosenbund. Je nach Material spielt der Body „oberirdisch“ Pulli, Trägertop, T-shirt, Oberteil eines Abendanzugs und so weiter. Getragen werden die Einteiler zu jedem Anlaß. Mal präsentieren sie sich verspielt mit Blümchen oder Streifen, mal elegant. Es variieren auch die Schnitte. „In“ sind immer noch die hohen Beinausschnitte. Für alle Modelle gilt die Betonung der schlanken Taille, durch Elastikgarn – nach dem Motto: Wer sie hat, soll sie auch zeigen. Der Body ist auch für Mollige ein Gewinn, dank Lycra-Beimischung.
Weiß ist Favorit
„Number one“ unter den Wäschestoffen ist die Spitze. Vor allem in Weiß beherrscht sie das Angebot. Spitzenhöschen und Spitzenbüstenhalter sieht man in vielen Variationen. Die gute Form bringen Spitze mit eingearbeitetem Synthetikfaden sowie Bügel und Körbchen für die Oberweite. Junge Mädchen lieben weiterhin eher sportliche Zweiteiler aus Trikot-Bustier und Slip. Blümchenmuster sind da besonders en vogue. Aber auch der Erotik-Touch in glühenden Farben, wie rot, lila und orange und natürlich schwarz ist im Angebot vertreten.
Der neueste Trend: auch für Männer gibt es immer mehr modische Unterwäsche in allen Variationen, von sportlich geschnittenen Shorts bis zu mit Pailletten bestickten Festtags-Bodys (Alias Hemdhosen). Kein namhafter Unterwäsche-Hersteller lässt sich mehr das Geschäft mit den Herren entgehen. Beim Material wird alles verarbeitet, was auch der weiblichen Figur mehr Pepp und Eleganz verleiht: feine Baumwolle, glänzende Synthetik, weicher Samt und fließende Seide. „Hauptsache die Stoffe sind angenehm auf der Haut und halten dauerhaft die Form“, sagt Lothar Schuster (Tendenze), unter anderem Topdesigner der Marke „HOM“ und in der deutschen Modefachwelt derzeit „zweifellos“, die Nummer eins, wenn es um ausgefallene Herrenunterwäsche geht, wie die Fachzeitschrift „Textilwirtschaft“ feststellte.
Während der Münchener Wäschestylist selbst bei der hauseigenen Produktion barocke Muster bevorzugt, zeigt sich seine überwiegende „Verkaufs-Ware“ vor allem unifarben. Die Schnitte, abgesehen von den weiten Boxer-Shorts, sind figurbetont, dank enganliegender Stretch-Stoffe. Dabei wird mit T-Slips, Rio- und Minislips (also immer viel nacktem Po) momentan das große Geld gemacht.
Im Licht vieler Schaufensterauslagen steht auch bei Herrenwäsche der Body. Seit Herbst 1991 ist die „Hemdhose“ in. Und das in allen Spielarten – bis zum Ganzkörperanzug mit kurzen oder langen Ärmeln. Der schmucke Body aus schwarzem Samt oder aus Seide hat mittlerweile – wie bei den Damen – sogar einen Platz in der Abendgarderobe gefunden.
Obgleich dieser jüngste Trendsetter der Männerunterwäsche beim Verkauf nur drei bis vier Prozent des Marktanteils hat, ist um ihn mittlerweile ein großer Streit entbrannt. Bei der Frage, wer war der erste?, gehen in Herstellerkreisen die Meinungen stark auseinander. Doch ein Blick ins Mode-Lexikon klärt schnell die Lage: Bereits im 19. Jahrhundert trug der Mann die Hemdhose. Allerdings unter einem anderen Vorzeichen: als praktische Arbeitskleidung.